erschienen im Filmmagazin Frame (NZZ am Sonntag)



Schweizer Film: Der Subventions-Report
Das sind die Top-Bezüger

Bund, SRG und Zürcher Filmstiftung unterstützen Schweizer Filme mit über 40 Millionen Franken pro Jahr.
«Frame» hat ausgerechnet, welche Regisseure und Firmen
davon am meisten bekommen. 

Von Christian Jungen, Regula Freuler, Denise Bucher, Sandra Smolcic


Die Filmförderung in der Schweiz wurde in den letzten 15 Jahren sukzessive ausgebaut. Neue Institutionen
wie die Zürcher Filmstiftung und die welsche Filmstiftung CinéForom kamen hinzu. Der Verteilkampf um die Fördergelder ist trotzdem härter denn je, weil die Branche stark gewachsen ist. Laut einer Studie des Bundesamtes
für Statistik gab es 2013 ganze 715 aktive Filmproduktionsfirmen im Land. Seither sind Dutzende weitere hinzugekommen. Alle wollen ein Stück vom Förderkuchen und beobachten genau, wer wie viel bekommt. 

Während es in Ländern wie den USA, Frankreich oder Deutschland Erhebungen zu Budgets und Einspielergebnissen gibt, ist es in der Schweiz fast unmöglich, einen Überblick zu bekommen. «Frame» hat nun sämtliche Förderbeiträge des Bundesamtes für Kultur (29,5 Millionen Franken pro Jahr), der SRG SSR (22,4) und der Zürcher Filmstiftung (9,2) der Jahre 2006 bis 2015 ausgewertet. Dabei haben wir sowohl kleinere Auszahlungen für Treatments und Drehbücher wie auch grosse Herstellungsbeiträge berücksichtigt. Ebenfalls die Gelder, die Produzenten nach einem Erfolg aus der erfolgsabhängigen Filmförderung bekommen und in neue Projekte investieren. Unser Datensatz umfasst 3835 Auszahlungen; 1830 stammen von der SRG SSR beziehungsweise deren Sendern in den Landesregionen, 1572 vom Bundesamt für Kultur (BAK) und 433 von der Zürcher Filmstiftung. 

So konnten wir den Subventionskönig bei Regie, Werken und Produktionsfirmen ermitteln. Bei fast gleichen Beträgen entschieden die Rundungen über die Placierung. Wie jede Statistik ist auch diese Auswertung nicht makellos. Für eine gesamtschweizerische Bilanz wäre es wichtig gewesen, die welsche Filmstiftung CinéForom einzubeziehen. Diese gibt es aber erst seit Mai 2011, ihr erstes volles Geschäftsjahr war 2012. Wir wollten aber einen Zeitraum von zehn Jahren analysieren, damit das Resultat aussagekräftig wird. Die Subventionskönigin heisst Sabine Boss. Die Regisseurin führt die Rangliste mit Zuschüssen von 15,3 Millionen Franken mit grossem Vorsprung an. Bei den Firmen dominiert C-Films mit Fördergeldern von total 31,4 Millionen Franken. Dies, weil sie viele Fernsehfilme wie «Das Geheimnis von Murk» von Sabine Boss gemacht hat.

Unsere wichtigsten Erkenntnisse der Auswertung: 

Fernsehen machen lohnt sich
Die viel gescholtene SRG ist in der Schweiz eine der wichtigsten Förderinnen. Sie investiert jährlich 22,4 Millionen Franken in den Schweizer Film. Mit Auftragsarbeiten ermöglichte sie Regisseuren wie Sabine Boss, Tobias Ineichen und Markus Imboden ein kontinuierliches Schaffen. Entsprechend führen diese Filmemacher unsere Rangliste an. Klingende Namen wie Markus Imhoof oder Fredi M. Murer fehlen in den Top 30, weil sie aus Prinzip keine Fernsehfilme drehen. Man kann die Haltung der 68er bewundern, doch die Cineasten bezahlen dafür mit einem eher schmalen OEuvre. Die 50- bis 60-Jährigen dominieren In den letzten zehn Jahren haben Cineasten wie Sabine Boss (*1966) und Christoph Schaub (*1958), die während der achtziger Unruhen auf die Strasse gingen, am meisten Fördergeld erhalten. Sie erstritten Förderinstrumente wie die Zürcher Filmstiftung. Alle fünf Erstplacierten auf unserer Liste gehören dieser Generation an, ebenso der Filmchef des Bundes, Ivo Kummer (*1959). Die Filmförderung muss aufpassen, dass sie nicht nur die Etablierten begünstigt, sondern auch vermehrt Jungfilmer berücksichtigt.

Frauen bekommen weniger 
Sabine Boss ist zwar die Subventionskönigin, ansonsten figurieren nur noch Bettina Oberli («Lovely Louise», Platz 17 der meistsubventionierten Filme), Petra Volpe («Traumland»), Ursula Meier («L’enfant d’en haut») und Barbara Kulcsar («Zu zweit») unter den Top 30. Frauen sind zwar im Schweizer Film sehr präsent, haben aber wesentlich kleinere Budgets als Männer. Das BAK erhebt zurzeit Daten zu Budgets und Löhnen, um die Gründe dafür zu eruieren. Gut so! 

Viel Geld, wenig Erfolg
 
Die Firma C-Films muss sich für den Titel der meistgeförderten Firma nicht schämen, sie produzierte Kassenschlager wie «Der Verdingbub» und «Schellen-Ursli». Andere Firmen in den Top 10 haben aber zu wenig erreicht. Dschoint Ventschr hat mit Samir zwar einen künstlerisch wie kommerziell erfolgreichen Patron, aber die Firma brachte in den letzten zehn Jahren keinen Film heraus, der mehr als 150 000 Zuschauer in die Kinos lockte oder an den A-Festivals von Cannes, Berlin oder Venedig im Wettbewerb lief. Dasselbe gilt für Hesse Greutert, die es heute nicht mehr gibt, da sich die Partner Hesse und Greutert 2015 getrennt haben. Kostspielige Produktionen dieser Firma enttäuschten im Kino. «One Way Trip 3D» erreichte 21 000 Zuschauer, «Clara und das Geheimnis der Bären» nur 14 500. 

Romandie nicht bevorzugt
Anders als in Zürcher Filmkreisen oft behauptet, wird die Romandie von der Filmförderung nicht massiv bevorzugt. Die Welschen machen zwar nur 22,8 Prozent der Bevölkerung aus, bekommen aber 25,9 Prozent der Subventionen. Das ist angesichts des Erfolgs von Regisseuren wie Ursula Meier, Jean-Stéphane Bron und Lionel Baier absolut gerechtfertigt. Die Romands realisieren zwar mehr Filme als Deutschschweizer, haben aber kleinere Budgets und einen Automatismus in der lokalen Förderung, der ihnen bei einem Zuschuss vom Bund oder der SRG automatisch
die Unterstützung von CinéForom garantiert. Die Deutschschweizer machen 65,6 Prozent der Bevölkerung
aus und erhalten 65 Prozent der Subventionen; die italienischsprachigen Schweizer machen 8,4 Prozent der Bevölkerung aus, ihre Cineasten erhalten 8,5 Prozent der Subventionen. Die Verteilung ist gerecht.